Die mystische Eiger Nordwand wirft ihren dunklen Schatten auf das altehrwürdige Hotel Jungfrau in Grindelwald. Selbst um 4:30 Uhr kann man Sie gut erkennen. Gerade wurde es unruhig im kleinen Schweizer Bergort im Berner Oberland. Menschen sind unterwegs, Autos fahren und ein Helikopter steigt auf. Der erste Startschuss des Tages, für alle die sich die über 100 km rund um Grindelwald und Wengen zutrauen, ist gefallen. Wer 50 km auf dem Tagesplan hat könnte eigentlich noch bis 5 Uhr in den Federn bleiben, aber das alte Holzgebälk und die Mischung aus Vorfreude und Aufregung lässt keinen weiteren Schlaf zu.
Der Blick aus dem Fenster zeigt klaren Himmel. Sogar der Eigergipfel ist wolkenfrei. Die einzige große Unbekannte während der wochenlangen Vorbereitung auf den Ultra-Traillauf durch die Schweizer Berge, das Wetter, wird also passen.
Die Ausrüstung, teilweise verpflichtend, liegt bereit und nach dem kurzen Frühstück treffen sich die 900 Starter am Dorfplatz um die Runde gemeinsam zu beginnen. Abschied von den Begleitern und ab ins Getümmel. 7:15 Uhr Startschuss, Los und einrollen auf den ersten Metern durch den Ort. Lange wird es nicht flach bleiben. Die erste Steigung zur Großen Scheidegg wartet direkt am Ortsrand und bietet 1.000 Höhenmeter auf 8 km. Wie an einer Perlenkette haben sich die Läufer auf dem schmalen Wanderweg aufgereiht. Die morgendlich kühle Luft macht den Anstieg angenehm und oben angekommen warten nicht nur die ersten Sonnenstrahlen des Tages sondern auch eine Verpflegungsstation und die Kühe der Bergschaft, die die ungewohnten Besucher begutachten aber sich nicht aus ihrer Morgenroutine bringen lassen.
Es folgt rollendes Gelände mit einem wechselnden Auf und Ab. Das nächste Zwischenziel, die Bergstation der Gondelbahn First, ist schon früh im Blick. Je näher man kommt desto mehr Anfeuerungen sind zu hören und am Bergrestaurant wartet nicht nur eine weitere Verpflegung sondern auch eine ganz andere Welt mit „normalen“ Bergtouristen.
Der nächste Abschnitt ist schon besonders. Dutzende Asiaten mit Selfie-Sticks müssen auf dem Weg zum malerischen Bachalpsee umkurvt werden. Danach wird´s wieder ruhiger und mental kann man sich schon auf den zweiten großen Anstieg zum Faulhorn einstellen. Die gut 3 km und über 600 Höhenmeter liegen fast vollständig einsehbar vor Augen. Ein Schritt nach dem Anderen. Am Gipfel zeigt die Uhr fast 5 Stunden. Der höchste Punkt mit fast 2.700 m ist erreicht. Von der Strecke her ist die Hälfte geschafft und auch die meisten Höhenmeter sind erledigt.
Aber einfacher wird es trotzdem nicht. So langsam macht sich die Müdigkeit und die Sonne bemerkbar. Die Schritte werden schwerer. Immer wichtiger wird die Verpflegung. Wer vergisst zu Essen und, vor allem, zu Trinken hat keine Chance das Ziel zu erreichen.
Einige Schneefelder, tolle Trails und Aussichten zum Brienzer See und zum Dreigestirn Eiger, Mönch und Jungfrau machen die Anstrengung auf dem Weg zur Schynige Platte abwechslungsreich und etwas erträglicher.
Ab jetzt geht’s Abwärts – ungefähr 1.500 Höhenmeter am Stück. Aber mit jedem Meter abwärts steigt die Temperatur. An der letzten Verpflegung kommen Ermahnungen doch genügend Trinken für die letzten 7 km durch´s Tal Richtung Ziel mitzunehmen. Viele haben mit der Sonne und den Temperaturen zu kämpfen.
Nach einer letzten, unverschämt steilen, Rampe zum Ortszentrum von Grindelwald ist das Ziel in Sicht- und Hörweite. Zuschauer feuern an und der Zielsprecher ruft die Namen der Finisher. Geschafft! Medaille und Finisher-Shirt sind der verdiente Lohn für die Strapazen.
Einige Daten zum Eiger Ultra Trail E51: 53,4 km, +3.000 Höhenmeter, ca. 9 Stunden, ca. 5.500 verbrauchte Kalorien, ca. 8 l Schweissverlust.